Zur Person
Jan Fromm wurde 1976 geboren. Er studierte Grafikdesign an der Fachhochschule Potsdam. Dort belegte er unter Anderem den Kurs von Lucas de Groot. Seit 2003 ist er freischaffender Designer.
Fragen & Antworten
Wieso Typografie? Wodurch erwachte Ihr Interesse an der Schriftkunst?
Die Liebe zum Buch und zur Typografie liegt bei mir in der Familie: Meine Mutter ist gelernte Schriftsetzerin, ebenso mein Großvater, der außerdem Direktor einer Druckerei in Altenburg war. Ich habe mich also schon als Kind mit Büchern beschäftigt und viel gelesen.
So richtig bewusst ist mir die Liebe zur Typografie und vor allem zur Schriftgestaltung während meines Studiums an der Fachhochschule Potsdam geworden, als ich die Typedesign-Kurse bei Lucas de Groot besuchte. Mich beeindruckte vor allem die Tatsache, dass man trotz vorgegebener Konventionen so unendlich viele Möglichkeiten hat, die Gestaltung von Buchstaben zu variieren. Obwohl in den letzten Jahren Unmengen an interessanten Schriften veröffentlicht wurden, ist immer noch genug Spielraum vorhanden, um neue Ideen auszuprobieren und das Repertoire zu erweitern. Das spornt mich an, weiter an neuen Entwürfen zu arbeiten.
Wer sind Ihre typografischen Vorbilder?
Direkte Vorbilder habe ich keine. Ich fühle mich der holländische Schule verbunden, bei der man den Buchstaben ihre handschriftliche Herkunft ansieht. Generell mag ich es, wenn Schriften handwerklich sauber gemacht sind, dabei ist es egal, ob es sich um Headline- oder Textschriften handelt, ob sie von erfahrenen oder jungen Designern gestaltet werden.
Welches Buch zum Thema Typografie haben Sie zuletzt gelesen? Welches würden Sie weiterempfehlen?
Derzeit lese ich gerade »Made With FontFont«. Die unzähligen Schriftmuster und Anwendungsbeispiele sind beeindruckend, man erhält aber nebenbei noch eine Menge an Hintergrundinformationen zu vielen bekannten FontFonts, zu deren schriftgeschichtlichen Kontext und den Intentionen der Designer. Dieses Buch ist eine Inspirations- und Informationsquelle nicht nur für Schriftgestalter, sondern auch für Grafikdesigner, die mit diesen Fonts arbeiten.
Ganz brauchbar fand ich auch »Anatomie der Buchstaben«. Obwohl es nur an der Oberfläche kratzt und an einigen Stellen noch detaillierter hätte ausfallen können, ist es gerade für angehende Schriftgestalter eine sinnvolle Lektüre.
Wenn Sie eine Schrift sein könnten, welche Schrift wären Sie gerne?
CamingoDos SemiCondensed.
Greifen Sie zu Beginn des Schriftschöpfens zur Feder oder zur Maus?
Zum ausschweifenden Scribbeln fehlt mir die Geduld. Sobald ich mit der groben Skizze einiger Buchstaben zufrieden bin, zeichne ich sie sogleich am Rechner. Auf diese Weise kann ich viel schneller beurteilen, ob gewisse Ideen funktionieren. Die Skizzen dienen mir weniger als Designvorlage, vielmehr als grobe Anhaltspunkte, wie einzelne Formen aussehen könnten. Dabei passiert es oft, dass beim Digitalisieren neue Ideen einfließen, und dass die Skizze mit dem Endergebnis nicht mehr viel gemein hat.
Mit welchen technischen Hilfsmitteln arbeiten Sie? Welchen Scanner, welchen Drucker, welchen Computer, welches Betriebssystem, welche Programme nutzen Sie?
Ich arbeite vorwiegend mit FontLab 5.0.4 auf einem MacBook Pro, an dem ein externes 24″-Eizo-Display hängt. Auf meinem Mac läuft eine ParallelsDesktop-Installation mit WindowsXP, auf der ich zusätzlich die PC-Version von FontLab nutze. Da die PC-Version um einiges schneller läuft, besonders wenn man viele einzelne Schnitte gleichzeitig bearbeitet, greife bei der Fontproduktion gerne darauf zurück. Meine Testdrucke erledigt ein Brother-Laserprinter. Dann steht bei mir noch ein Canon-Scanner herum, den ich jedoch nicht für die Schriftgestaltung nutze.
Sind Sie Messie oder Purist? Horten sich auf Ihrer Festplatte 2.456.891 Fonts oder sind Garamond, Bodoni, Frutiger und Futura mehr als genug?
Als Typedesigner sehe ich mir natürlich viele Schriften an, deswegen sammeln sich im Laufe der Zeit zwangsläufig eine Menge Fonts und Schriftmuster auf meiner Platte. Als Messie würde ich mich trotzdem nicht bezeichnen, da ich auf Qualität achte und nicht wahllos nach jedem x-beliebigen Font greife.
Wenn Ihr Font-Ordner nur Platz für zehn Schriften hätte, welche wären das?
Wenn mein Font-Ordner auf zehn Schriften beschränkt wäre, würde ich mich um eine neue Schriftverwaltungssoftware kümmern oder, wenn es hart auf hart kommt, das Betriebssystem wechseln.
In Typo-Kreisen werden Comic Sans und Arial gebannt. Welche Schrift darf auf keinen Fall auf Ihren Rechner?
Diese Fonts habe ich auch rumzuliegen. Die Frage ist aber, ob man sie benutzt oder nicht. Komplett unbenutzt sind auf jeden Fall Comic Sans, Times New Roman und Rotis. Bei der Arial sehe ich das etwas differenziert: In Drucksachen ist sie natürlich verboten, jedoch ist sie durch die Bildschirmoptimierung als Textschrift im Web besser nutzbar als viele andere Schriften.
Welcher Buchstabe ist Ihr Liebling? Mit welchem Buchstaben fangen Sie an, wenn Sie eine Schrift entwerfen?
Ich finde die doppelstöckigen Varianten von »a« und »g« charakterbildend für eine Schrift, ich mag besonders komplexe Formen wie »&« oder »@«. Trotzdem können auch einfache Buchstaben, wie ein »C« oder »M« sehr reizvoll sein, wenn sie gut proportioniert sind.
Ein guter Ausgangspunkt für eine neue Schrift ist das »n«, weil es sehr viele Elemente enthält, die auch bei anderen Zeichen vorhanden sind: Die Art, wie der Bogen in den Stamm einläuft, findet sich beispielsweise beim »m«, »h«, »b«, »p«, und in umgekehrter Form auch beim »u«, »d« und »q«” wieder. Weiterhin gibt das »n« die Punzenbreite vor; bei Serifenschriften zusätzlich die Form der Serifen.
Wie kamen Sie auf den Namen für Ihre erste Schrift?
Aus der Not heraus: Ich habe kurz vor der Veröffentlichung festgestellt, dass der Name »Orange« bereits vergeben ist und musste mir zügig einen neuen einfallen lassen. Den Namen »Camingo« hatte ich dann plötzlich auf einer U-Bahn-Fahrt im Kopf. Eine direkte Bedeutung hat er für mich nicht, er ist vielmehr eine Kombination aus verschiedenen, schön klingenden Wörtern.
Schmieden Sie Pläne für eine nächste Schrift?
Ich arbeite derzeit an einer humanistischen Serifenschrift, die sowohl für Texte als auch für Überschriften funktioniert. Ich hoffe, dass ich sie im Sommer 2010 fertigstellen kann. Ich möchte noch gar nichts verraten, nur so viel: Es wird rund! [Anmerkung: Die Schrift, von der Jan Fromm hier redet, ist die Rooney. Sie ist mittlerweile auf dem Markt.] Darüber hinaus beschäftige ich mich gerade mit der Erweiterung der Camingo um den kyrillischen Zeichensatz.
Haben Sie schon einmal einen Buchstaben in Stein gemeißelt?
Bisher noch nicht.
Vielen Dank für das Interview!
Gern geschehen!
Weiterführender Verweis
[Thomas Kunz, 2010-02-10]