Carter Sans

2007 bat Monotype Matthew Carter eine neue Familie für die ITC-Schriftbibliothek zu schaffen. Unterstützt wurde er dabei von Dan Reynolds, der unter anderem für die Erweiterung des Zeichensatzes zuständig war. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist die Carter Sans.

Die Schriftfamilie besteht aus acht Schnitten: Regular, Italic, Medium, Medium Italic, Semibold, Semibold Italic, Bold und Bold Italic. Alle Schnitte verfügen über Kapitälchen, proportionale und dicktengleiche Majuskel- und Minuskelziffern, weiterhin über hoch- und tiefgestellte Ziffern und Zähler- und Nennerziffern für Bruchzahlen. Die Schrift bedient sowohl den mitteleuropäischen als auch den osteuropäischen Zeichensatz.

Die Kursive ist um elf Grad geneigt. Auf den ersten Blick wirkt sie wie eine verschrägte Roman. Doch die Buchstaben sind allesamt neugezeichnet, was man mit Blick auf die veränderten Serifen erkennen kann.

Ein Vergleich mit der Verdana, die auch aus Carters Feder stammt, zeigt viele Übereinstimmungen und das, obwohl die vertikalen Ausmaße differieren. Bei gleicher Mittellänge überragen die Versalien der Carter Sans die der Verdana ein wenig. Ober- und Unterlänge der Carter Sans nehmen mehr Raum ein als bei der Verdana.

Die Carter Sans ist von der Albertus inspiriert. Die Albertus wurde in den Jahren 1932 bis 1940 von Berthold Wolpe entworfen. Die Anregung dazu kam von Stanley Morison, nachdem er eine Bronzetafel von Wolpe gesehen hatte und ihn bat, aus dieser Inschrift eine Druckschrift zu entwickeln. Die Albertus hat spätrömische Ahnen. Die damaligen Inschriften wiesen stark zurückgenommene Serifen auf, die in leicht gekehlte Schäfte übergingen. Die unterschiedlichen Dickten der Versalbuchstaben lassen ebenfalls die spätrömischen Vorbilder aufleuchten. – Auch die Carter Sans erinnert an eine gemeißelte Inschrift. Sie ist keine Neuauflage der Albertus, sondern zeichnet sich durch ein eigenständiges Design aus. Man fühlt sich an die Albertus erinnert und spürt gleichzeitig die Meisterschaft Carters.

Schriftmuster

Schriftschnitte der Carter Sans
[Bild: Schriftschnitte der Charter Sans Pro]

Serifen des aufrechten und kursiven Schnitts
[Bild: Serifenformen der aufrechten und der kursiven Carter Sans Pro]

Vergleich des aufrechten, eines verschieften und des kursiven Schnitts
[Bild: Charter Sans Pro Regular, Charter Sans Pro Regular um 11° geneigt, Charter Sans Pro Italic]

Die Carter Sans im direkten Vergleich mit der Verdana
[Bild: Vergleich von Carter Sans Pro und Verdana]

Vertikale Ausmaße der Carter Sans und der Verdana
[Bild: horizontale Maße der Carter Sans Pro und der Verdana]

Carter Sans und Albertus
[Bild: Grundalphabet der Charter Sans Pro und Albertus]

Andere inschriftartige Schriften im Vergleich zur Carter Sans
[Bild: Vergleich von Carter Sans Pro mit Alinea Incise, Amerigo, Angie Sans und Publicala]

Anhang

[Bild: Symbol für eine pdf-Datei] Satzmuster

[Bild: Glyphenübersicht]
Nach einem Klick auf die Abbildung öffnet sich ein pdf-Dokument mit der Glyphenübersicht aller Schnitte der Carter Sans.


Zu den Personen

Matthew Carter
(* 1937 in London)

Matthew Carter absolvierte 1955 ein Praktikum bei der Schriftgießerei und Druckerei Johannes Enschedé in Haarlem. Er erlernte dort das Stempelschneiden und vertiefte sich in Schriftvorlagen des 16. Jahrhunderts. Obwohl er zum Studium an der Universität Oxford zugelassen war, entschied sich Carter dagegen. Er half stattdessen seinem Vater, dem Schrifthistoriker und Typografen Harry Carter, beim Aufbau des Museums über die Oxford University Press. Nebenbei arbeitete er freiberuflich als Buch- und Schriftgestalter. Ab 1963 war er Berater des britischen Fotosatzmaschinen-Herstellers Crosfield Electronics. Von 1965 bis 1971 war er Schriftentwickler bei der Mergenthaler-Linotype Company in Brooklyn. Anschließend war er als freiberuflicher Schriftschöpfer für verschiedene Linotype-Gesellschaften in den Vereinigten Staaten und Europa tätig. 1981 war er Mitbegründer von Bitstream, der weltweit ersten unabhängigen digitalen Schriftschmiede. 1991 gründete er zusammen mit Cherie Cone ein eigenes Schriftlabel: Carter & Cone Type.

Dan Reynolds
(* 1979 in Baltimore)

Dan Reynolds erwarb seinen BFA in Grafikdesign an der Rhode Island School of Design. An der University of Reading erlangte er mit Auszeichnung einen MA in Typeface Design. Für kurze Zeit studierte er auch an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach, wo er auch erstmalig seinen Blog http://www.typeoff.de veröffentlichte.

Der Amerikaner arbeitet bei der Linotype GmbH, Bad Homburg als Schriften-Designer und Typographie-Experte. Er gründete 2004 den Offenbacher Typostammtisch, an dessen Organisation er sich immer noch beteiligt. Er moderiert auf Typophile.com und arbeitet an der typographischen Fachzeitschrift Slanted mit. Weiterhin ist er Mitglied der ATypI. Seit 2009 lehrt er an der Hochschule Darmstadt im Fachbereich Gestaltung.

Berthold Wolpe
(* 1905 in Offenbach am Main, †1989 in London)

Berthold Wolpe absolvierte nach dem Abitur eine Lehre als Bronzegießer. Er studierte von 1925 bis 1928 bei Rudolf Koch an der Kunstgewerbeschule in Offenbach. Danach lehrte er bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten an den Technischen Lehranstalten Offenbach und an der Kunstschule Frankfurt. 1935 emigrierte der Sohn jüdischer Eltern nach London. Dort war er als Grafiker, Buchgestalter und als Lehrer für Schrift tätig. Seine Schrift Albertus wurde für die Londoner Straßenschilder genutzt.

Weiterführende Verweise

ITC: Carter Sans
ABCdarium: Portrait von und Interview mit Dan Reynolds

[Thomas Kunz, 2011-04-14]