Zur Person

Elena Albertoni studierte Graphikdesign an der Hochschule für Kunst und
Design in Amiens und absolvierte das Graduiertenkolleg Schrift und Typografie
an der École Estienne in Paris. Die Italienerin arbeitet derzeit in Luc(as)
de Groots FontFabrik in Berlin. 2005 gründete sie zusammen mit Pascal Duez
die Schriftschmiede Anatoletype.

Fragen & Antworten

Wieso Typografie? Wodurch erwachte Ihr Interesse an der
Schriftkunst?

Als Studentin in Grafikdesign fand ich die Schriftwahl oft anstrengend und
kompliziert; es war für mich einfacher, Text und Bild als Ganzes zu
bearbeiten und möglicherweise die Displayschrift selbst zu zeichnen.
Nebenbei habe ich mich immer für Makro- und Mikrotypographie begeistert.

Wer sind Ihre typografischen Vorbilder?

Ich arbeite seit geraumer Zeit für Lucas de Groot als Schriftentwicklerin;
sein Werk war mir immer wichtig und er hat mich sicherlich beeinflusst.
Meine typographischen Wurzeln stammen aber mehr aus kalligraphischen
Modellen, wie die von Niccolò Niccoli und meinem Lehrer Michel Derre.

Welches Buch zum Thema Typografie haben Sie zuletzt gelesen? Welches
würden Sie weiterempfehlen?

Harry Carter »A view of Early Typography« und »José Mendoza y Almeida« von
Martin Majoor und Sébastien Morlighem waren die letzten beiden, die ich
gelesen haben. Empfehlen würde ich »A history of lettering – Creative
Experience & Letter Identity« von Nicolete Gray.

Wenn Sie eine Schrift sein könnten, welche Schrift wären Sie gerne?

Eine Analogie Mensch-Schrift ist meiner Meinung nach nicht wirklich
sinnvoll; ich mag lieber den Vergleich zwischen einer Schrift und einem
Gericht oder einem Musikstück .

Greifen Sie zu Beginn des Schriftschöpfens zur Feder oder zur Maus?

Definitiv zur Feder. Auch wenn ich die manuelle Arbeit nur zur Inspiration
benutze, ist sie doch mein wichtigster Anhaltspunkt. Ich skizziere immer
meine Ideen auf Papier, zeichne aber die Finalform direkt am Computer; die
zwei Prozesse laufen praktisch bis zum Ende parallel.

Mit welchen technischen Hilfsmitteln arbeiten Sie? Welchen Scanner,
welchen Drucker, welchen Computer, welches Betriebssystem, welche Programme
nutzen Sie?

Ich habe momentan keinen Scanner; ich benutze einen HP Laserdrucker schwarz/weiß; ich arbeite mit einem MacBook Pro mit neuestem Betriebsystem und mit einem PC Dell Vostro. Fast alles (außer das Font-Testen) passiert in FontLab, aber ich warte seit langem auf eine verbesserte Version oder eine Alternative.

Sind Sie Messie oder Purist? Horten sich auf Ihrer Festplatte 2.456.891
Fonts oder sind Garamond, Bodoni, Frutiger und Futura mehr als genug?

Ich benutze selbst ganz wenige Schriften, weil ich zurzeit kein Grafikdesign
mache. Im Prinzip möchte ich nur mit einer relativ kleinen Schrift-Palette
arbeiten – allerdings lieber etwas zeitgenössischer als die oben genannten
Klassiker.

Wenn Ihr Font-Ordner nur Platz für zehn Schriften hätte, welche wären
das?

Corpid (LucasFonts), Fakir (Underware), Sentinel und Verlag (Hoefler &
Frere-Jones), Trinité und Lexicon (Enschedé), Maiola (TypeTogether), Zócalo
(FontBureau), Lapture (JustAnotherFoundry), Aisha (tntypography).

In Typo-Kreisen werden Comic Sans und Arial gebannt. Welche Schrift darf
auf keinen Fall auf Ihren Rechner?

Die Rotis (und nicht nur nicht auf den Rechner).

Welcher Buchstabe ist Ihr Liebling? Mit welchem Buchstaben fangen Sie
an, wenn Sie eine Schrift entwerfen?

Ich fange immer mit Worten oder einer kleinen Buchstabenfolge an. Meine
Lieblingsbuchstaben sind oft a, n und g.

Wie kamen Sie auf den Namen für Ihre erste Schrift?

Scritta bezeichnet auf Italienisch ein Stück Schrift, das kann ein Tag sein
oder ein Schriftzug oder auch ein handgeschriebener Zettel. Scritta war die
erste Aufgabe in meinem Studium an der École Estienne und sie beruht auf
meiner Handschrift.

Schmieden Sie Pläne für eine nächste Schrift?

Jetzt, da meine ersten beiden Brotschrift-Familien (DejaRip und Acuta)
fertig sind, habe ich wieder Lust, mich mit einer Script zu beschäftigen.

Haben Sie schon einmal einen Buchstaben in Stein gemeißelt?

Oh ja, ich habe das einmal probiert, weil ich es unglaublich schön finde.
Aber man braucht enorm viel Zeit und Leidenschaft, diese Kunst wirklich zu
erlernen.

Vielen Dank für das Interview!

Ich danke Ihnen und Ihren Lesern.

Weiterführender Verweis

Anatoletype

[Thomas Kunz, 2010-10-31]