Starling

Auf der ATypI-Konferenz 1994 in San Francisco trug Mike Parker vor, William Starling Burgess sei der wahre Schöpfer der »Times New Roman«. Seitdem gibt es zwei Entstehungsgeschichten.

1. Version:
Stanley Morison kritisiert die typografische Qualität der Zeitung »The Times«. Daraufhin wird er 1929 von der Londoner Tageszeitung als künstlerischer Berater angeheuert und beauftragt, eine neue Schrift zu erstellen. Nach Morisons Vorgaben erstellt Victor Larent, ein Grafiker der Zeitung, eine modernisierte »Plantin«.

2. Version:
Burgess beauftragte die Lanston Monotype Company 1904, eine Satzschrift für seine Schiffwerft in Marblehead zu erstellen. Burgess verlor das Interesse an der Schrift. Seine Skizzen wurden im Archiv der Lanston Monotype Company unter Nummer 54 abgelegt. – Diese Skizzen sind dann über Frank Hinman Pierpont in die Hände von Stanely Morison gelangt.

Im Juni 2009 brachte The Font Bureau, Inc. die Schrift »Starling« heraus. Sie ist eine typische Times, hier jedoch benannt nach dem vermuteten Schöpfer.

Warum noch eine Times?

Microsoft liefert mit seinem Betriebssystem die Times New Roman aus, Apple die Times Roman; Unix kommt mit Nimbus Roman No. 9, einem Times-Derivat von URW++. Die Times New Roman hat in der Version 5.001 über 3300 Glyphen in den aufrechten Schnitten und fast 2500 Glyphen in den kursiven Schnitten. Für den Buchsatz ist die Times Ten LT hervorragend geeignet. – Warum also eine weitere Times-Schrift?

Die Starling ist nicht so gut ausgebaut wie die Times-Systemschriften. Sie verfügt gerade mal über 333 Glyphen. Damit deckt sie nur den westeuropäischen Zeichenvorrat (Western European) ab. Sie bietet proportionale Versal- und Mediaevalziffern und verfügt über Kapitälchen; womit die anderen Times-Familien auch dienen können.
Der aufrechte Schnitt unterscheidet sich nicht großartig von den anderen Times-Schriften, allein die Akzente passen besser zur Schrift und sitzen besser auf den Buchstaben:

grauflächige Akzente: Starling
schwarzumrissene Akzente: Times NR MT Pro
grauumrissene Akzente: Times LT Std

Alleine die Kursive macht die Starling zu einer guten Alternative. Sie ist wesentlich kalligrafischer ohne jedoch maniriert zu wirken.

schwarz: Starling
grau: Times NR MT Pro

Einen Eindruck von der Starling und einen Vergleich mit anderen Times-Schriften bietet die angehängte pdf-Datei, die die Grundzeichen der Times NR MT Pro, der Times New Roman PS Pro, der Times LT Std, der Times Ten LT Std und der Starling zeigt. Weiterhin werden die Times-Versionen hinsichtlich ihrer Laufweite gegenübergestellt: der aufrechte Schnitt der Starling läuft am weitesten; die kursive Starling ist am platzsparensten. Letzlich werden Mustertexte mit den aufrechten und kursiven Schnitten der genannten Schriften, die hierfür auf eine einheitliche x-Höhe gebracht wurden, gezeigt.

Zu den Personen

William Starling Burgess
(* 1878 in Boston, † 1947 in Hoboken)

William Starling Burgess studierte an der Harvard University, brach das Studium jedoch ab. 1904 gründete er in Marblehead, Massachusetts, eine Schiffswerft und konstruierte, wie bereits sein Vater, Edward Burgess, Yachten. 1909 gründete er eine Firma für Flugzeugbau. Im Ersten Weltkrieg wurden seine »Flugboote« in Massenproduktion hergestellt. 1913/1914 wurde ihm die höchste Auszeichnung der US-Luftfahrt, der Collier-Preis, verliehen. (Vor ihm erhielten nur die Gebrüder Wright diesen Preis.) 1917 verkaufte Burgess die Fabrik. Im Kriegsministerium entwarf er Flugzeuge für die US-Marine. 1920 nahm er seine Arbeit als Yachtkonstrukteur wieder auf. 1927 entwarf er ein stromlinienförmiges Hochhaus. 1933 konstuierte er das aerodynamische Dreirad-Auto »Dymaxion«. Ab 1942 war Burgess bei der Luftfahrtabteilung der US-Marine im Bereich U-Boot-Abwehr tätig. 1994 wurde er wegen seiner Yachtkonstuktionen in die America’s Cup Hall of Fame aufgenommen.

Mike Parker
(* 1929 in London)

Mike Parker studierte in Yale Architektur und Grafikdesign. Von 1958 bis 1959 arbeitete er für das Plantin-Moretus-Museum in Antwerpen. In den fünfziger bis siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts war er der Leiter der typografischen Entwicklungsabteilung der Mergenthaler Linotype Company in New York. Zusammen mit Matthew Carter gründete er 1981 Bitstream, das erste Unternehmen, das Schriften nur digital herstellte.

Stanley Morison
(* 1889 in Wanstead, † 1967 in London)

Morison war von 1913 bis 1914 Mitarbeiter bei »The Imprint«. Dann war er wegen Kriegsdienstverweigerung vier Jahr inhaftiert. Er arbeitete bei Pelican Press, Cloister Press und der Cambridge University Press. Er war Mitherausgeber der Zeitschrift »The Fleuron«. Von 1929 bis 1960 war Morison typografischer Berater der Londoner Tageszeitung »The Times«. Währenddessen gab er eine vierbändige Geschichte der Tageszeitung »The Times« heraus. Über vierzig Jahre war Morison typografischer Berater der Monotype Corporation. 1960 wurde er zum »Royal Designer for Industry« ernannt.

Frank Hinman Pierpont
(* 1860 in New Haven, † 1937 in London)

Pierpont absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Mechaniker. Später arbeitete er in einer Patentkanzlei, wo er Zeichnungen einer Setzmaschine für das Patentamt anfertigte. 1896 wurde er Direktor der Typograph Setzmaschinen-Fabrik in Berlin. 1899 baute er das Werk der englischen Monotype in Salsfords auf, dessen Betriebsleiter er bis 1936 war. Für den Satz auf Monotype-Maschinen fertigte er zahlreiche Neuinterpretationen klassischer Druckschriften; so schuf er 1913 die Platin.

Weiterführende Verweise

Font Bureau: Starling
Monotype: Times NR MT Pro
Monotype: Times New Roman PS Pro
Linotype: Times LT Std
Linotype: Times Ten LT Std

Anhang

[Bild: Symbol für eine pdf-Datei] Times NR MT Pro, Times New Roman PS Pro, Times LT Std, Times Ten LT Std und Starling im Vergleich