Zur Person
Andreas Seidel wurde 1975 geboren. Von 1994 bis 1998 studierte er Betriebswirtschaft an der Fachhochschule Lausitz. Seit 1999 ist er als Gestalter und Illustrator selbständig tätig. 2003 gründete er seine eigene Schriftschmiede: astype. Drei Jahre später gründete er zusammen mit Ingo Preuß die German Type Foundry.
Fragen & Antworten
Wieso Typografie? Wodurch erwachte Ihr Interesse an der Schriftkunst?
Die ersten typografischen Erlebnisse, auch wenn ich es damals nicht als solche betrachtete, waren Computerdemos auf dem Amiga. Damals habe ich begonnen Schrift auch als Designelement zu verstehen. Dort gab es richtige Wettbewerbe diverser Cracker- und Demo-Gruppen um die beste Grafik und Musik. Logos wurden für fast jede Demo neu gestaltet und es wurde versucht eine Einheit aus 2d und 3d Grafik zu erreichen. Scroller (Lauftexte) gehörten in der einen oder anderen Form in jede Demo.
Auf youtube kann man mit den Stichworten Amiga und Demo eine Menge finden.
Wer sind Ihre typografischen Vorbilder?
Typografische Vorbilder habe ich nicht. Aber das Interesse an Schriften, deren Geschichte und die Sammelleidenschaft beeinflussen natürlich meine Arbeit. So interessiert mich auch die Person die hinter einer Schrift stehen kann.
Welches Buch zum Thema Typografie haben Sie zuletzt gelesen? Welches würden Sie weiterempfehlen?
Sie sprechen jetzt die Standardwerke von Willberg, Forssmann und Bringhurst an? Keines von denen besitze ich, wenngleich meine Freunde und Kollegen sie haben. Ich kaufe mir generell keine »neuen« Typografiebücher – die bekomme ich manchmal geschenkt. Wenn, dann sind es ältere Sachen wie Schriftproben usw. Wobei Typografie ein weites Feld ist. Bücher für Schriftanwender und Layouter müssen ganz anders sein als Bücher für Schriftliebhaber.
Zum Thema Schrift und Typografie erfahre ich mehr im Internet, in den einschlägigen Foren und Blogs. Typophile.com wäre hier zu nennen.
Wenn Sie eine Schrift sein könnten, welche Schrift wären Sie gerne?
Eine Schrift möchte ich nicht sein. Aber generell identifiziere ich mich immer mit der Schrift an der ich gerade arbeite. Im Moment ist es also die Secca.
Greifen Sie zu Beginn des Schriftschöpfens zur Feder oder zur Maus?
Schriftschöpfen – ein schönes Wort. Aber Fonts zu machen ist eher an langer Marathon oder Mehrkampf.
Ich arbeite eigentlich immer digital, also mit der Maus.
Mit welchen technischen Hilfsmitteln arbeiten Sie? Welchen Scanner, welchen Drucker, welchen Computer, welches Betriebssystem, welche Programme nutzen Sie?
Ich arbeite mit einem PC unter Windows XP. Zum Testen gibt es auch Windows 7 und OSX. Den Rechner habe ich selbst zusammengebaut – ich bin da Bastler. Scanner und Drucker sind normaler Konsumentenstandard. Die technischen Daten liste ich unten auf.
Hauptsoftware für die Schriftgestaltung ist natürlich FontLab Studio. Dazu gibt es diverse Versionen der Adobe Programme, allein schon um die Fonts testen zu können. Am meisten arbeite ich mit Illustrator 8, InDesign 2 und CS 3 und Photoshop 7.
Technisch Daten:
- Mainboard: Asus P5Q3-Deluxe + 4 GB Ram
- CPU: Intel Core Duo 8500
- Grafikkarte: Nvidia 9600 GT
- Scanner: CanoScan LiDe 90
- Drucker: HP LJ 1022
- Monitore: Eizo SW2411W + S1701
Sind Sie Messie oder Purist? Horten sich auf Ihrer Festplatte 2.456.891 Fonts oder sind Garamond, Bodoni, Frutiger und Futura mehr als genug?
Beides bin ich. Ich habe viele Schriften auf der Festplatte, aber nur das Nötigste ist wirklich installiert. Fonts sind natürlich nie genug. Es verhält sich da nicht anders wie mit Musik, Fotos, Büchern und Filmen – dort wollen wir doch auch immer Nachschub, das gehört zu uns Menschen dazu.
Diese Zahl in der Frage bezieht sich nicht zufällig auf Adam Twardoch? So viele Fonts sind es nicht, das kann ich mit gutem Gewissen sagen.
Wenn Ihr Font-Ordner nur Platz für zehn Schriften hätte, welche wären das?
Von den Klassikern wären es:
- Myriad
- Helvetica Neue
- Univers
- Thesis
- Adobe Garamond
- Adobe Caslon
Und wegen des guten Bildschirmhintings natürlich auch die Systemschriften:
- Courier
- Verdana
- Arial
- Georgia
In Typo-Kreisen werden Comic Sans und Arial gebannt. Welche Schrift darf auf keinen Fall auf Ihren Rechner?
Ich liebe auch das Schräge oder Häßliche, solange es nur gut gemacht ist. Insofern sind Arial und Comic Sans gute Fonts. Auch der schlimmste Trashfont kann sinnvoll eingesetzt werden – zugegeben nur in einem sehr begrenzten Umfang. Es gibt keinen speziellen Font den ich bannen möchte. Für mich sind solche Betrachtungen gut für Designer-Smalltalk, genau so wie Mac- oder Windows-Witze.
Welcher Buchstabe ist Ihr Liebling? Mit welchem Buchstaben fangen Sie an, wenn Sie eine Schrift entwerfen?
Besser wäre die Frage welche Buchstaben ich hasse. Alle Buchstaben mit Schrägen sind sehr schwierig weil man dort so viel optisch tricksen muß. Ich fange meist mit den Minuskeln n, o und a und dem Versal H an. Aber im Grunde habe ich keinen Favoriten, nur mehr oder weniger ausgeprägte Hemmschwellen bestimmte Buchstaben anzugehen. Alle Buchstaben zusammen müssen stimmig sein, gerade das macht einen guten Font aus. Es hört sich langweilig an, ist aber so.
Wie kamen Sie auf den Namen für Ihre erste Schrift?
Die erste Schrift war die Crayfish. Der Font ist aus der Überarbeitung des Schriftzuges für die Cottbus Crayfish hervorgegangen. Die Cottbus Crayfish sind ein studentischer American Football Club der Universität in Cottbus.
Schmieden Sie Pläne für eine nächste Schrift?
Ja, immer.
Haben Sie schon einmal einen Buchstaben in Stein gemeißelt?
Nein, noch nie. Ich denke das wird heute auch kaum noch praktiziert.
Vielen Dank für das Interview!
Beste Wünsche!
Weiterführende Verweise
[Thomas Kunz, 2009-09-21]